Kathedralforum Dresden

Seit rund 775 Jahren legt jede Schwester beim Eintritt in die Gemeinschaft von St. Marienstern ihre Gelübde ab „vor Gott und allen Heiligen, derer Reliquien allhier sind an diesem Ort“. Diese Formulierung geht auf die Benediktregel zurück und wird in allen Zisterzienserklöstern tradiert. In dem zwischen Kamenz und Bautzen gelegenen Kloster St. Marienstern hat die Anrufung der Reliquien aber darüber hinaus eine Bedeutung für die lokale Identität, wie sie in kaum einem anderen Frauenkloster eine Parallele hat: Reliquien und Reliquiare, die der Klosterstifter Bernhard III. von Kamenz für seine Fundation zusammentrug, prägen nach wie vor den innerklösterlichen Jahreskreis und bilden den Kern des gleichermaßen geistigen wie materiellen Schatzes der Abtei. Bis heute stellen die Tage rund um das Fest der hl. Ursula am 21. Oktober einen Höhepunkt im Klosterleben dar, da dann die Reliquien ausgestellt werden und mit einzigartigen Gesängen an die Heiligen erinnert wird.

Der Klosterstifter Bernhard III. von Kamenz, der selbst Geistlicher und zuletzt Bischof von Meißen war, aber auch als Politiker eine wichtige Rolle zwischen den Markgrafen von Brandenburg, den Herzögen von Schlesien und dem böhmischen König einnahm, schenkte seinem Kloster jedoch nicht nur die Reliquien. Sondern er ließ sie auch von den besten Goldschmieden vor allem Prags fassen, wobei er hinsichtlich der Materialien und Techniken auf besondere Qualität achtete, wie sie außer in der Treib-, Guss- und Punzierarbeit mit Gold und Silber auch im Einsatz von Niello und der Verwendung seltener Edelsteine zum Ausdruck kommt. So gehört das Heiltum von St. Marienstern heute historisch und kunstgeschichtlich zu den bedeutendsten Kirchenschätzen Mitteleuropas und weist sehr enge Verbindungen zum Prager Domschatz auf.

Die Referenten

Während der Direktor des Grünen Gewölbe und der Rüstkammer Dresden, Dr. Marius Winzeler, den materiell-künstlerischen Rang der Reliquiare von St. Marienstern präsentiert, stellt Sr. M. Thaddäa Selnack, Ordensschwester im Zisertzienserinnenkloster Marienstern, die lebendige Bedeutung des Heiltums für die Gemeinschaft des seit 1248 ununterbrochen bestehenden Klosters vor.